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„Kompromisse sind schwieriger“

Bundesdigitalminister Dr. Karsten Wildberger im Interview mit dem Donaukurier

Noch zu Beginn dieses Jahres zog er als Vorstandschef von MediaMarktSaturn die Fäden, seit Mai baut er in Berlin ein neues Ministerium auf: Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) spricht über die Unterschiede zwischen den beiden Aufgaben, über Erwartungen und Empörungszustände.

Herr Wildberger, seit unserem letzten Interview vor etwa zwei Jahren hat sich viel getan. Sie sind vom Chef eines Konzerns zum Chef eines Bundesministeriums geworden. Was ist der größte Unterschied?

Es gibt natürlich viele Unterschiede. Für den Bund tätig zu sein, ist vor allem eine ganz andere, ein Stück weit noch größere Aufgabe – gerade in dem Feld Digitalisierung und Staatsmodernisierung, was mir am Herzen liegt. Der größte Unterschied ist aber, dass die Entscheidungsstrukturen im politischen Umfeld komplett andere sind als im Konzern. Man muss sich in ein System einfinden, um Dinge umzusetzen. Die Wege sind länger, die Kompromisse sind schwieriger genauso wie die Komplexität drumherum.

Wie verzweifelt sind Sie da manchmal?

Überhaupt nicht. Man bewirbt sich ja nicht auf diese Stelle, sondern das Telefon hat geklingelt, und ich habe Ja gesagt. Der Grund ist, dass ich einen Beitrag leisten kann, unserem Land in der Situation dienen kann. Es ist eine sehr ehrenvolle Aufgabe. Dieser Grund ist sogar größer geworden – weil die Aufgabe nicht kleiner geworden ist.

Sie sind nicht desillusioniert?

Nein, keine Sorge. Ich hatte aber eine gute Vorbereitung – in vielen Dimensionen. Doch der Energielevel ist schon sehr hoch und auch die Resilienz.

Sie müssen ein komplett neues Ministerium aufbauen und haben mit sieben Mitarbeitenden begonnen. Wo stehen Sie inzwischen?

Ich kann mittlerweile auf die Expertise von rund 500 Mitarbeitern zugreifen, die sitzen aber noch nicht alle in einem Haus. Demnächst ziehen wir in eine Liegenschaft, wo alle zusammenkommen können.

Dazu müssen die anderen Bundesministerien Kompetenzen abgeben. Das geschieht nicht immer freiwillig. Wo hakt es noch?

Ich hätte anfangs nicht gedacht, dass es so gut funktioniert und bin da total dankbar. Alle Kollegen haben mitgezogen, Innenminister Alexander Dobrindt hat uns super unterstützt, auch Katherina Reiche. Mit dem Finanzministerium haben wir noch ein Thema offen, die Lösung für das ITZ Bund ist ein bisschen komplexer. Ansonsten muss ich sagen, es ist besser gelaufen als gedacht.

Viele Menschen stehen der zunehmenden Digitalisierung skeptisch gegenüber. Wie können Sie diese mitnehmen?

Es ist ein Parallelprozess: Erst mal müssen wir von der Konzeptphase in die Umsetzung kommen, sonst wird die Digitalisierung des Staates nicht funktionieren. Gerade bei der Verwaltungsdigitalisierung müssen wir Dinge anders umsetzen als bisher.

Die Kommunikation wird insbesondere wichtig werden, wenn wir über Künstliche Intelligenz sprechen. Sie wird das Tempo des digitalen Wandels nochmal rasant steigern. Da gibt es Bedenken und Sorgen vor Arbeitsplatzverlust oder wie weit die KI den Menschen ersetzen kann. Das kann ich absolut nachvollziehen und das muss die Politik adressieren.

Zugleich liegen für den Innovationsstandort Deutschland auch unglaubliche Chancen in der KI. Mein Petitum ist, wenn wir KI nicht nutzen, um Arbeitsprozesse effizienter zu machen, um Diagnosen in der Medizin zu verbessern, klügere Entscheidungen zu treffen, riskieren wir viel mehr, als wenn wir KI nicht nutzen. Das gilt es deutlich zu machen.

Geht das Land diese Themen denn mit ausreichender Geschwindigkeit an?

Ja. Ich bin zufrieden damit, was mein Haus in knapp sechs Monaten auf den Weg gebracht hat: Wir haben den Netzausbau beschleunigt, rechtliche Grundlagen für eine vernetzte Verwaltung geschaffen, experimentieren mit dem KI-Einsatz bei Anträgen und haben mit der Modernisierungsagenda einen verbindlichen Fahrplan für die Modernisierung des Staates beschlossen.

Parallel dazu bauen wir ein neues Ministerium auf – ich finde, das kann sich sehen lassen. Einiges muss noch schneller gehen, bestimmte Themen brauchen mehr Geduld, weil sie sehr komplex sind. Eine flächendeckende Digitalisierung wird es in unserem föderalen System nicht per Knopfdruck geben. Da müssen wir uns auch ein bisschen ehrlicher machen. Aber wir gehen diese Aufgabe mit neuen Konzepten und neuer Entschlossenheit an.

Verkauft sich die Regierung dann einfach nur schlecht, wenn man als Bürger nicht sieht, was alles gemacht wird?

Kommunikativ hätte man sicherlich ein paar Sachen anders machen können. Gleichzeitig glaube ich, dass Bundeskanzler Friedrich Merz und die gesamte Regierung Politikkrisen in einem nie dagewesenen Umfang gegenüberstehen. Ich verstehe natürlich, dass die Erwartungshaltung ganz hoch ist.

Dennoch erlebe ich eine Diskrepanz, was die Außen- und die Innenansicht angeht. Wenn wir innerhalb der Regierung diskutieren und Argumente für die beste Lösung austauschen, ist das nicht immer gleich ein Streit. Das ist Teil von Demokratie. Gleichzeitig stelle ich fest, dass wir im Zeitalter von Social Media mit permanenten Empörungszuständen arbeiten müssen. Damit muss die Politik insgesamt besser umgehen.

Müssen wir uns bei Künstlicher Intelligenz unabhängiger von den USA machen?

Ich betrachte das Thema weniger defensiv als offensiv. Wir müssen anfangen, selbst Geschäftsmodelle in diesen Bereichen in größerem Stil aufzubauen, weil wir die Kompetenzen grundsätzlich haben. Wir können es, wir haben die Hochschulen, die Ausbildung, wir haben gute junge Menschen, die Lust auf Entwicklung haben, wir müssen das jetzt wirklich flächendeckend angehen.

Natürlich ist die Abhängigkeit im Technologiebereich von den USA zu groß, aber meine Motivation ist eher eine positiv besetzte.

Vermissen Sie irgendwas aus Ihrem alten Job?

Ich habe alles in meinem Leben immer mit Leidenschaft gemacht und tue das auch hier. Ich hab ehrlich gesagt, gerade auch nicht so viel Zeit über Vergangenes nachzudenken. Was ich in jeder Rolle, die ich bisher hatte, vermisse, sind am Ende die Menschen, mit denen ich vertrauensvoll zusammengearbeitet habe.

Das Interview führte Sandra Mönius.

Es ist am 23.10.2025 erschienen.

Quelle: Mediengruppe Bayern

Hier geht's zum Original-Artikel im Donaukurier