
Veröffentlicht am: 3. Juli 2025
Rede von Digitalminister Wildberger bei der Wertekommission in Bonn
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Frau Ministerin, liebe Professor Sinemus,
sehr geehrter Herr Korndörfer
und alle Gründerinnen und Gründer und Mitstreiterinnen und Mitstreiter der beeindruckenden Wertekommission,
liebe Gäste.
Herzlichen Glückwunsch Ihnen und der Wertekommission zu Ihrem 20. Geburtstag.
Mein herzlicher Glückwunsch gilt Ihnen, die Sie vor 20 Jahren die Idee zu dieser Initiative hatten und sich seitdem vor allem ehrenamtlich dafür engagieren.
Mein Glückwunsch geht aber auch an uns alle, an die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Politik: Dass es diese Initiative gibt und dass es IHR Engagement gibt.
Ihr Engagement für Werte.
- als Basis von dem, was uns ausmacht.
- als Basis für das, was wir schaffen.
- als Basis für eine gelingende Zukunft.
Für Ihr Engagement dankt Ihnen auch unser Bundeskanzler Friedrich Merz. Es ist mir eine Ehre, ihn heute hier vertreten zu dürfen, und bitte Sie, ihn zu entschuldigen.
Ich darf Ihnen aber folgenden persönlichen Gruß des Bundeskanzlers übermitteln.
Ich zitiere:
„Gute Führung braucht Werte. Das ist in der Politik genauso wie in jedem Unternehmen. Daher bin ich dankbar, dass die Wertekommission sich im ständigen Dialog mit Führungskräften in ganz Deutschland für eine feste Verankerung ihrer zentralen Werte - des Vertrauens, der Verantwortung, der Integrität, des Respekts, des Mutes und der Nachhaltigkeit - einsetzt und diese fördert.“
Wie wichtig Ihr Engagement für Werte ist, das verstehen wir, wenn wir uns die aktuelle Weltlage anschauen. So vieles, was lange sicher schien, müssen wir verteidigen, schützen und dafür kämpfen.
- Für unsere Demokratie.
- Für unser Europa.
- Für die Globalisierung.
- Für das Miteinander.
Das alles sind Grundwerte unseres Zusammenseins, Grundwerte für unsere Freiheit und für das Leben, das wir leben und lieben.
Wer hätte das jemals gedacht, dass dies alles zur Diskussion steht? Werte sind keine Selbstverständlichkeit. Sie müssen gefestigt, verteidigt und erneuert werden. Sie müssen vor allem gelebt werden.
Seit 20 Jahren engagieren Sie sich nun dafür, dass klare Werte unseren Kompass bestimmen. Den Kompass der Wirtschaft. Den Kompass der Führung. Den Kompass für das Gemeinwesen.
Sie sagen es klipp und klar: Dass wir alle immer zuerst Menschen sind. Und dann erst in Funktionen kommen. Und in privilegierten Positionen besondere Verantwortung tragen.
- Für Arbeitsplätze.
- Für Wachstum.
- Für den Erfolg.
- Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wenn wir heute über Werte sprechen, dann meinen wir nicht das Dekor unserer Institutionen. Nicht das, was sich gut liest in Leitbildern oder Webseiten. Wir sprechen über das Fundament unserer Gesellschaft: Ohne Werte kein Vertrauen. Ohne Vertrauen keine Zusammenarbeit. Und ohne Zusammenarbeit kein Fortschritt.
Werte sind das Resultat unserer Kultur. Ergebnis von Erfahrung. Gewachsen über Generationen. Werte sind kollektive Überzeugungen, die das Handeln einer Gemeinschaft prägen. Weitergegeben in Sprache, Erziehung, Religion, Wirtschaft und Recht.
Werte sind das, was stabil bleibt, wenn alles andere in Bewegung gerät.
Und doch: Werte müssen nicht nur erinnert, sie müssen gelebt werden. Sie müssen Handlungsmaxime sein. Und zwar: Jeden Tag. In Unternehmen wie in Behörden. In der Politik wie in der Zivilgesellschaft.
Dabei sind Werte nicht notwendigerweise moralischer, ethischer Natur. Ein Wert definiert, „was einem etwas wert ist, was einem wichtig ist.“ Ein Wert definiert Präferenzen und worauf man sich fokussiert.
Ein Staat, der schlank sein will. Das kann ein Wert sein!
Ein Unternehmen kann die Kunden oder die Innovation in den Mittelpunkt stellen. Das kann ein Unternehmenswert sein.
Werte sind die Grundlage für Entscheidungen – gerade in schwierigen Zeiten. Krisen von Staaten und Unternehmen haben ihren Ursprung oft in einer Wertekrise. Nach meiner Erfahrung gilt das auch für Krisen in Unternehmen: Sie gehen häufig einer mit einer Wertekrise.
Wenn Werte von zu vielen nicht geteilt werden. Wenn Werte nicht ausreichend gelebt, vorgelebt und eingefordert werden. Und gerade in einer Zeit, in der sich unsere Welt schneller verändert als je zuvor – technologisch, geopolitisch, gesellschaftlich – sind Werte als Richtschnur nicht weniger, sondern mehr denn je gefragt. Sie sind kein Spiegel auf das Gestern, sondern unser Werkzeug für das Morgen.
Meine Damen und Herren, für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes – und auch für seine wirtschaftliche Stärke, um hier an Ihre Diskussionen anzuknüpfen – ist ein Wert entscheidend. Den auch Sie in Ihrem Kanon als entscheidend definieren. Und das ist Vertrauen.
Das Vertrauen der Menschen in den Staat. Dass der Staat die richtigen Prioritäten setzt. Dass er Werte vorlebt, die eine gute Zukunft ermöglichen.
Staatsmodernisierung ist dafür ein Schlüssel. Eine Staatsmodernisierung, die klaren Werten folgt: dem Vertrauen, der Verantwortung, dem Respekt, dem Mut, dem Gestaltungswillen, der Umsetzungskraft.
Es liegt an uns, meine Damen und Herren, wie wir die Zukunft gestalten. Und das neue Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung möchte der Antreiber sein für eine digitale Zukunft, die Vertrauen schafft. In den Staat. Und damit in unsere Demokratie. In ein modernes, digitales und werteorientiertes „Next Germany“!
Welchen Fokus setzen wir dazu im neuen Ministerium? Erstens die Staatsmodernisierung.
Und hier möchte ich drei Punkte nennen:
Erstens: Bürokratieabbau.
- Weniger Verwaltung
- Weniger Bürokratie.
- Weniger Berichtspflichten.
Ein Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen vertraut. Und auf die Kräfte der sozialen Marktwirtschaft setzt!
Zweitens: Ein effizienter Staat.
Mehr Effizienz in staatlichen Strukturen, in staatlichen Prozessen, schlanker, schneller, leistungsfähiger. Ein Staat, der sich als serviceorientierter Dienstleister versteht – und die Möglichkeiten von Digitalisierung und KI aktiv für seine eigene Erneuerung einsetzt.
Und drittens: Die Modernisierung der Verwaltung.
Mehr Durchlässigkeit, Flexibilität. Messbare Ziele, mehr Leistungsanreize. Eine modernere Verwaltung.
Meine Damen und Herren, einen solchen Staat wollen wir schaffen. Vieles davon ist im Koalitionsvertrag vereinbart. Das gilt es jetzt umzusetzen. Und die Aufgabe des neuen Ministeriums ist es, dies ressortübergreifend als Antreiber zu tun.
Und wissen Sie, was mich optimistisch stimmt, dass uns das alles gelingt? Weil ich in meinem Ministerium seit dem ersten Tag ganz eine besondere Offenheit erlebe. Menschen, die wollen. Menschen, die machen. In den Behörden. In den staatlichen Instituten. Bei den Kommunen. Und bei den Ländern.
Mein Dank geht hier stellvertretend an Frau Professorin Sinemus und das Land Hessen, eines der vielen Länder, mit denen wir gemeinsam anpacken.
Ein moderner Staat ist auch ein digitaler Staat.
Und damit kurz zu dem zweiten wichtigen Aufgabenfeld unseres Ministeriums. Der Digitalisierung.
Die Chancen der Digitalisierung nutzen. Die Chancen der KI nutzen. Um unser Land digitaler zu machen. Für Wachstum, für Innovation. Für die Unternehmen, den Mittelstand, die Start-ups. Für die Bürgerinnen und Bürger. Dafür arbeiten wir an sechs Schwerpunkten.
Erstens: Der Infrastruktur
Gerade haben wir ein Gesetz in den Bundestag gebracht, mit dem wir den Netzausbau von Mobilfunk und Glasfaser beschleunigen. Und legen bis zum Jahresende noch ein zweites Gesetzespaket auf.
Dass die Daten fließen - das ist die Grundlage für all das, was Sie heute hier über die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes diskutieren.
Zweitens: Regulierung
Eine Regulierung, die Risiken adressiert, aber eben auch die Chancen von Digitalisierung und KI ermöglicht. Eine Regulierung, die klar ist, umsetzbar und praktikabel. Mit weniger nationalem Gold-Plating. Und auch jungen Unternehmen bessere Chancen gegenüber Hyperscalern gibt.
Drittens: Die Cybersicherheit
Sie kennen die Bedrohungen, denen unser Land, Europa und die Unternehmen ausgesetzt sind. Gegen diese Angriffe müssen wir uns besser schützen und wappnen. Das kann keine Institution, das kann kein Unternehmen alleine. Das geht nur in der Zusammenarbeit, in der Bündelung von Kompetenzen, in Deutschland und in Europa.
Viertens: Die digitale Souveränität
Erst einmal müssen wir klären, was wir unter digitaler Souveränität verstehen.
Die Digitalisierung und die KI werden zumeist bestimmt von Unternehmen von außerhalb unseres Landes. Außerhalb von Europa.
Ich bin überzeugt: Auch wir haben die Kraft. Auch wir haben die Talente. Auch wir können das Selbstbewusstsein haben.
Für einen Wettbewerb auf Augenhöhe. Für einen Wettbewerb, der immer die Triebfeder ist für Innovationen. Dafür müssen wir Unternehmen fördern. StartUps fördern. Giga Factories bauen.
Wir brauchen diese Rechenzentren, modernste und hochleistungsfähige Rechenkapazitäten, weil wir mit ihnen die Kraft von KI entfalten können. Der Staat kann hier unterstützen und für die Investoren Flächen bereitstellen, Energie sichern und Genehmigungsverfahren beschleunigen.
Die Rechenzentren sind der Motor für KI-Entwicklungen. Und wenn wir diesen Motor in Europa und in Deutschland haben, dann ist auch das wichtig für unseren Wettbewerbsfähigkeit im digitalen Wettbewerb.
Und fünftens: Die Digitalisierung der Verwaltung
Indem wir durch eine andere Umsetzung beschleunigen, was da ist. Im Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Dass wir Dienste auch beim Bund stärker zentralisieren. Und klare Standards für Entwicklungen und Schnittstellen schaffen. Um den Wildwuchs zu beenden.
Dass wir lernen, wie wir Verwaltungsprozesse mit KI verbessern und automatisieren können.
Und digitale Identität: Wallet. Standards. Neue Geschäftsmodelle.
Und sechstens – Die Kommunikation
Dafür ist eines entscheidend – und mir persönlich ganz wichtig: Die Kommunikation mit den Menschen: Den Bürgerinnen und Bürgern. Auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung.
Entscheidend ist: Der Respekt vor ihren Bedenken, die es auch immer wieder gibt. Die Menschen müssen an die Zukunft glauben. An ihre persönliche. In einer digitalen Gesellschaft. In einem digitalen Staat.
Wir müssen immer wieder: Zuhören. Verstehen. Und erklären: Dass Chance und Risiko zwei Seiten derselben Medaille sind.
Meine Damen und Herren,
- Die Infrastuktur
- Die Regulierung
- Die Cybersicherheit
- Die Digitale Souveränität
- Die Digitalisierung der Verwaltung
- Und die Kommunikation dazu
SO entsteht für mich ein modernes NextGermany. SO entstehen für mich ein Land und eine Demokratie, der die Menschen wieder vertrauen.
Vertrauen – das ist der entscheidende Wert für diese Veränderung. Vertrauen verdient man sich. Durch das Einhalten von Versprechen. Durch Umsetzung.
Meine Damen und Herren, die Digitalisierung ist weit mehr als ein technisches Projekt. Sie ist ein Schlüssel, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit des Staates und in unsere Demokratie zurückzugewinnen. Für ein digitales Next Germany.
Doch all das braucht Werte als Fundament. Und genau hier spielt die Wertekommission eine entscheidende Rolle – vor allem angesichts der Dynamik, mit der Künstliche Intelligenz unsere Gesellschaft verändern wird.
Lassen Sie uns zum Abschluss meiner Rede einen Blick nach vorn werfen – in eine Zukunft, die längst begonnen hat. Eine Zukunft mit Künstlicher Intelligenz. Welche Herausforderungen bringt sie mit sich? Was bedeutet sie – moralisch, gesellschaftlich, politisch? Auch ich bringe mehr Fragen als Antworten mit. Aber eine Antwort habe ich:
Wir müssen trotz offener Fragen entschlossen vorangehen.
Lassen Sie mich drei dieser Fragen kurz skizzieren:
Erstens: Wir müssen KI-Basistechnolgie selbst entwickeln.
Aus einem einfachen Grund: digitale Souveränität. Nur wenn wir eigene Modelle schaffen, fließen unsere Werte in diese Technologie ein.
Sprachmodelle spiegeln unsere kulturelle Intelligenz wider – unsere Werte, unsere Weltbilder. Und sie prägen künftig, wie wir lernen, arbeiten, kommunizieren.
Wenn Sie Sprachmodelle auf Präferenzen, Neigungen, Werte testen, so gibt es große Unterschied. Beim Thema „Kooperation“ scored das chinesische Modell „Deep Seek“ besonders niedrig.
Werte sind auch bei der KI kein abstraktes Thema – sie fließen direkt in die Technologie ein.
Zweitens: Wie unterscheiden wir im Zeitalter der KI noch zwischen wahr und falsch?
Ein künstlich erzeugter Film ist von einem echten kaum zu unterscheiden. Texte lassen sich automatisiert erzeugen – aber wie prüfen wir ihren Wahrheitsgehalt? Und wie trainieren wir KI, wenn immer weniger Inhalte von Menschen geschaffen und kuratiert werden? Was bedeutet das für uns als Menschen? Was bedeutet es für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt?
Vielleicht müssen wir uns sogar an eine Welt gewöhnen, in der KI die Geschichte der Menschheit neu schreibt. Das ist keine Zukunftsmusik. Schon heute arbeiten Unternehmen daran, die Quellen des Internets systematisch zu bereinigen – um sie besser für KI trainierbar zu machen.
Die Folgen? Noch offen. Aber die Frage steht im Raum: Was ist in Zukunft eigentlich Realität? Und was bedeutet das für unser soziales Gefüge?
Drittens: Die Entwicklung der KI führt zu einer massiven Konzentration – von Kapital, von Wertschöpfung, von Macht.
Wir sehen es schon heute: bei den „Magnificent Seven“ in den USA, bei den globalen Kämpfen um Talente, bei den Milliarden, die in KI fließen. Die Logik dahinter ist klar: Wer als Erster eine KI entwickelt, die sich selbst verbessert, verschafft sich einen Vorsprung, den andere kaum noch aufholen können.
Und deshalb müssen wir uns als Gesellschaft fragen: Wie partizipieren wir an dieser neuen Wertschöpfung? Und wie gehen wir mit der Konzentration um, die daraus entsteht? Denn es geht nicht nur um Technologie. Es geht um Fairness, um Teilhabe – und um unseren sozialen Zusammenhalt.
Meine Damen und Herren, ist das alles Zukunftsmusik? Nein! Es ist greifbare Wirklichkeit.
Meine Damen und Herren, die Zukunft wird nicht gestaltet. Wir gestalten Sie selbst.
Und in solchen Zeiten wie heute, wenn sich so vieles verändert, Zukunft mitgestalten zu können, das empfinde ich als einmalige Chance. Als Privileg. Natürlich ist das auch herausfordernd. Aber eines ist klar: Es geht nur mit Werten als Fundament. Und mit Werten als Kompass für unser Handeln.
Nach 20 Jahren Wertekommission sage ich Ihnen, Ihre Arbeit wird wichtiger denn je!
In diese Sinne: Auf eine wertvolle und digitale Zukunft. Auf eine Zukunft mit den europäischen Werten. Werten für Freiheit, Wohlstand und Zusammenhalt.
Vielen Dank!