Er war jahrelang Top-Manager in der Wirtschaft, gilt als harter Sanierer – nun stellt er sich dem deutschen Bürokratie-Monster: Karsten Wildberger will als neuer Digitalminister Behördenstellen streichen und die Verwaltung modernisieren.
Im großen BILD-Interview spricht Wildberger über ...
... seine Ziele als Minister: Acht Prozent des Personals in den Behörden sollen bis 2029 eingespart werden, für Unternehmen soll der bürokratische Aufwand (etwa bei Genehmigungsverfahren) um 25 Prozent sinken. „Das ist Priorität“, sagt der Minister. „Die Menschen sollen spüren, dass wir es ernst meinen und Dinge jetzt einfacher machen.“
... ihn als Buhmann im Kabinett: Den anderen Ministerien das Personal wegzukürzen, macht ihn nicht gerade zum beliebtesten Kollegen im Kabinett. Wildberger sieht das pragmatisch. „Ich stelle mich darauf ein, dass es Reibung gibt“, sagt er. Es gebe keinen Schalter, den man betätigen könne und dann laufe alles. Aber Konsens in der Koalition sei, „dass wir dieses Land nach vorne bringen.“ Erste konkrete Schritte stellt er für den Frühherbst in Aussicht.
... Faxgeräte: „Bei uns gibt es keins“, sagt Wildberger über sein Büro. „Und wenn ich eins sehe, fliegt es raus.“ Gilt das bald für alle deutschen Behörden? Da sieht der Minister auch Länder und Kommunen in der Pflicht. „Wir brauchen mehr Menschen mit modernem Technologie-Wissen und Cloud-Fähigkeit“, sagt er.
Wildberger will europäisches ChatGPT
... ChatGPT auf jedem Behörden-Rechner: Lieber nicht, sagt der Minister. Er wünscht sich eine europäische künstliche Intelligenz (KI), die technologisch mit der Konkurrenz aus den USA (OpenAI) oder China (Deepseek) mithalten kann. Wildberger: „Ich möchte, dass eine KI mit europäischem und deutschem Werteverständnis gebaut wird. Wenn KI anfängt, ein Stück weit selbst zu denken, sollte sie so denken, wie es unseren Werten entspricht. Das ist mir ein großes Anliegen und das möchte ich nicht anderen überlassen. Da müssen wir aufholen!“
... Homeoffice in Behörden: „Wir haben in der Pandemie gelernt, dass Technologie uns auch effizienter machen kann“, sagt Wildberger. „Es gibt gute Gründe, ein System flexibler zu gestalten. Trotzdem muss man es hinbekommen, dass Menschen in der überwiegenden Zahl den persönlichen Austausch haben. Das führt zu besseren Ergebnissen.“
... das Ministergehalt: Als Top-Manager bei MediaMarkt/Saturn hat er 2,8 Millionen Euro im Jahr verdient, als Minister gibt's nur noch rund 200.000 Euro im Jahr. Doch Wildberger betont: „Für viele Dinge im Leben ist Geld nicht die Währung, um die es geht“. Seine Aufgabe verstehe er als gewaltige Ehre und auch große Verantwortung. Er wolle einen kleinen Beitrag dazu leisten, in bestimmten Teilen – die Digitalisierung gehöre dazu – verloren gegangenes Vertrauen in Staat und Demokratie zurückzugewinnen.
... Reue über Jobwechsel: Nach neun Wochen ist Wildberger in der Realpolitik angekommen. Haushalts-Zoff, Schulden-Streit – der Aufprall war hart. „Ich erlebe viel Wut“, sagt er. Und: Der Minister hat weiter kein eigenes Gebäude, seine Mitarbeiter sind in fünf Ministerien verstreut. Bereut er den Jobwechsel schon? Wildberger: „Ich schaue immer nach vorn, den Rückspiegel benutze ich nur, um zu sehen, wie ich schneller vorankomme.“
Quelle: Bild.de